Colonia
2009
Französischer und amerikanischer HipHop, Eminem
Kunst und Alltag, das geht für viele Menschen nicht gut zusammen. Bei Niklas alias NicoR geht das eine nicht ohne das andere. In seinem Alltag als Krankenpfleger begegnet er täglich Menschen, die gerade aufs Wesentliche zurückgeworfen wurden. „Wenn sich einer um sein Leben sorgt, dann bleibt nicht mehr viel.“ Die schicke Uhr am Handgelenk, das dicke Auto in der Garage, die Clique und der Klüngel – alles egal im Angesicht von Krankheit und Tod. „Als Krankenpfleger erlebt man die Menschen so, wie sie sind. Ganz egal, welcher Gesellschaftsschicht sie angehören.“
Die alte Journalistenregel, wonach jeder Mensch mindestens eine Geschichte habe, die sich zu erzählen lohne – sie gilt auch für den HipHop-Chronisten NicoR. „Wenn ich durch die Stadt laufe, sehe ich überall die krassen Unterschiede zwischen den Menschen. Dafür liebe ich Rap, so wie er ursprünglich entstanden ist: dass er sozialkritische Geschichten erzählt, dass er auf Missstände hinweist, dass er ein Sprachrohr für Menschen ist, auf die sonst keiner hört.“
Seit 2013 gibt es den Wettbewerb Euer Song für Köln. Eine Bühne für sozialpolitische Auseinandersetzung war er bisher nicht unbedingt. Doch solange er immer besser die Vielfalt der kölschen Musikszene abbildet, muss er das auch nicht sein, zumindest nicht nur. Die Aufgabe an die Teilnehmer: Schreibt einen Song über Köln! Und manchmal schafft es dann auch ein Stück wie das von NicoR ins Finale, das nicht nur die Sonnenseiten in Text und Melodie und Harmonie fasst, sondern auch die Schatten.
NicoR – geboren im Bergischen Land, vor mehr als zehn Jahren nach Köln gezogen, zwischendurch auch in Berlin und Hannover zuhause – arbeitet sich an einer komplexeren Definition von Heimatgefühl ab, als es in der kölschen Musik normalerweise üblich und erfolgreich ist. „So klischeehaft das klingt: Etwas zieht mich hier hin. Gerade weil hier nicht alles perfekt ist, gerade weil nicht alle Ecken schön sind, merke ich, dass ich hierhergehöre.“
Der Wettbewerbsaufruf fand Niklas eher zufällig, aber: „Zu einem guten Zeitpunkt.“ Anfangs fiel es ihm schwer, sich auf das Thema einzulassen, aber dann spürte er: „Ich habe schon einen eigenen Bezug zu Köln und eine Perspektive, die vielen kölschen Liedern fehlt.“ Nämlich die, dass das Köln, das ihm dieses Heimatgefühl gibt, keine Selbstverständlichkeit ist. „Man muss was dafür tun, für die bunte Kultur eintreten, die diese Stadt ausmacht.“
Genau das tut NicoR mit „Colonia“. Und ob er letztlich den ersten Platz macht oder nicht, darauf kommt es ihm nicht an: „Wenn sich nur zwei, drei Leute mehr das Lied reinziehen und darüber nachdenken, als es ohne den Wettbewerb der Fall gewesen wäre, hab‘ ich schon gewonnen.“
Text: Sebastian Züger