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Schreib uns!In dieser Rubrik sind wir zu Gast bei Kölnern, die uns ihre Wohnung zeigen. Miriam Dierks aus Niehl zeigt schon an der Tür, dass sie Effzeh-Fan ist und liebt Möbelstücke, die sonst keiner hat. Außerdem dürfen wir in ihre Schublade des Grauens schauen.
Miriam Dierks
Niehl
Egal
64 m²
am Schreibtisch
Sperrmüll-Vintage meets schwedische Moderne
„Ding Dong!” Der Türöffner summt und wir treten in den Hausflur eines Wohnhauses aus den 60er Jahren an der Niehler Straße in Köln-Niehl. An der Wohnungstür hängt eine Karte mit der Überschrift „Kölner Helden”. Eine davon, Miriam Dierks (42), macht uns die Tür auf. „Ihr könnt die Schuhe anlassen oder ausziehen. Ist egal”, sagt sie und winkt uns lachend herein. Die Fußmatte, über die wir treten, zeugt von Miriams großer Effzeh-Leidenschaft. Sie klärt uns über die Karte an der Tür auf: „Als ich nach der Scheidung mit meinem Sohn einzog, musste das dran. Alleinerziehende mit Kindern sind Helden der Organisation und des Alltags.” Miriam lacht wieder. Mittlerweile sind weitere Helden eingezogen. Miriam hat 2015 zum zweiten Mal geheiratet. „Mein Mann Christian ist Hamburger und St. Pauli-Fan. Ich sag mal: Hätte schlimmer kommen können.”
Wir folgen Miriam in den geräumigen Flur, von dem sternförmig die Zimmer abgehen: links das kleine Bad, das demnächst umgebaut werden soll; geradeaus die geräumige Wohnküche; rechts das Schlaf-Arbeits-Wohnzimmer mit Balkon und Katzenerlebnispark; ganz rechts das Kinderzimmer von Miriams Sohn, in das wir auch kurz reinspinksen dürfen. Aber nur kurz, denn der Zehnjährige ist bei seinem Papa und hat es nicht so gern, wenn Fremde seine Sammlungen von „Star Wars“-Devotionalien und Lego “durcheinandergucken”.
Die 42-Jährige hat das Fotografieren, ihre große Leidenschaft, zum Beruf gemacht. Seit 2015 ist sie als selbstständige Hochzeits- und Familienfotografin unterwegs.
2018 bekamen Miriams Helden tierischen Zuwachs: Kater Rolf und Katze Yuna. Yuna hat für uns keine Sprechstunde, keine Lust auf ein Fotoshooting. „Etwas schüchtern, im Gegensatz zu Rolf”, sagt Miriam. „Jedes Tier ist halt, wie es ist. Rolf ist tiefenentspannt.” Er hat ja auch einiges hinter sich. Miriam fand ihn auf einer Website namens „Streunerhilfe Katalonien“.
Damit Rolf nicht so allein ist, nahm Miriam auch noch Yuna zu sich. „Gefühlt habe ich schon immer Katzen gehabt”, sagt Miriam. Als der letzte Kater verstarb, konnte sie nicht lange mit der Lücke leben. „Deshalb habe ich im Internet gesucht und diese zwei gefunden.”
Wir folgen Miriam und Rolf in die Wohnküche mit einer herrlich orangen Wand, die direkt gute Laune macht, dazu der Spruch „Augen zu und tanzen”. „Musik ist meine große Leidenschaft”, klärt Miriam uns auf. Ihr bester Kauf in jüngster Zeit seien die Bluetooth-Boxen, mit denen sie die komplette Wohnung ausgestattet hat. „Ich liebe es, wenn ich von einem Zimmer ins nächste tanzen kann und dort läuft die gleiche Musik.” Meistens hört man bei Miriam zohus: House. Ihr Ehemann Christian hingegen liebt Heavy Metal. Miriam verzieht ihr Gesicht und lacht. „Das passt prima zusammen. Nicht!”
Ihr Sohnemann plant eine Karriere als DJ. Miriam: „Mal schauen, wie oft sich das noch ändert.” Die verschiedenen Geschmäcker sind ein gutes Toleranztraining. Die drei sind es gewohnt, sich musikalisch zu arrangieren.
Rücksicht aufeinander hilft auch bei der Orga einer Patchwork-Familie. Das spiegelt sich in der Wohnungseinrichtung wider. „Ich muss aufpassen, dass es mit dem Köln-Kram nicht zu viel wird”, sagt Miriam. Denn Christian hat Heimweh nach Hamburg. „Mein Mann sagt immer: wir wohnen doch schon in Köln, da brauchen wir nicht so viel Köln-Quatsch um uns herum.” Doch ein paar Köln-Devotionalien lässt sich Miriam nicht nehmen. Das FC-Gemälde eines Kölner Künstlers in der Küche ist ein Geschenk ihres Vaters. Und im Bad prangt ein großes Bild des bekannten Schriftzugs „Liebe Deine Stadt”. In der Wohnzimmervitrine stehen 3D-Schriftzüge von allen drei Städten: Köln, Leipzig, Hamburg.
Aber bleiben wir noch einen Moment in der Küche. Die ist sehr gemütlich, die Farben Gelb, Rot und Orange sehr präsent. Nicht nur die Wand, auch viele Küchengeräte sind in diesen Farben gehalten, von der Kaffeemaschine über das Fonduegerät bis zum Eierkocher. Blickt man sich hier um, ist es wie auf einer Zeitreise. „Ich liebe die 70er. Vermutlich weil ich da geboren bin”.
„Das sind alles Originale aus den Siebziger Jahren, die ich auf Flohmärkten erstanden habe”, erklärt Miriam. „Unsere Küche ist THE PLACE TO BE.” Hier sitzt die Familie, wenn Besuch da ist. „Unsere Wohnung ist zwar klein und nicht so super toll, aber unsere Gäste sagen: Bei euch gibt’s immer was zu gucken!”
Das finden wir auch und freuen uns über allerlei Kuriositäten: eine Winke-Katze hier, ein uraltes Telefon mit Wählscheibe im Regal dort – und mittendrin immer wieder der schöne, neugierige, rothaarige Kater Rolf.
Unser Blick fällt aus dem Küchenfenster auf die Niehler Straße und die Polizeiwache genau gegenüber. „Ich bin damals aus Nippes hierher gezogen und musste mich an den Gedanken hier zu leben, erst mal gewöhnen. Es ist ja schon etwas anders. Die Nähe zur Polizei hat mich aber überzeugt” sagt Miriam und schmunzelt. „Hier bricht bestimmt niemand ein.” Außerdem befindet sich schräg gegenüber ein Drogeriemarkt, in dem die Wahl-Niehlerin gerne shoppt. „Die Lebensqualität hier ist super!”
Für den täglichen Bedarf findet sie alles in Niehl. Und wenn das Fernweh drängt: „Schwupp-di-wupps ist man auf der Autobahn!” Zum Ausgehen hat es Miriam nicht weit bis Nippes, wo sie gerne Zeit auf dem Schillplatz verbringt. Außerdem mag sie das „Café Wohnraum“, das Restaurant „Einheit 15” und das „Hahnheiser“. Solche Angebote gibt es in Niehl nicht.
Miriam mag Möbel, die sonst keiner hat. Oder zumindest nicht so viele Leute. Hin und wieder kauft sie auch mal ein Teil vom Schwedischen Möbelladen, das aber eher selten. „Das Sideboard habe ich auf der Straße beim Sperrmüll entdeckt. Da musste Christian anrücken und mit anpacken.” Die etwas betagten, aber gemütlichen Ledersessel stammen von der Großmutter einer Freundin. „Die Oma ist ins Seniorenheim gezogen und konnte sie nicht mitnehmen.” Ein Glück für Kater Rolf, der einen der Sessel zu seinem Lieblingsplatz erklärt hat.
Gibt es denn auch hier einen Krutsch-Ort? Einen Platz, wo sich alles ansammelt und man gar nicht weiß, warum da immer Chaos ist? „Klar”, sagt Miriam und zeigt auf ihren Schreibtisch: „Hier: die Schublade des Grauens. Christian regt sich immer drüber auf.” Hier landet alles, was sonst kein Zohus hat, von Klebern über Passbilder bis Vitamintabletten. Alles drin.
Viel Funktionalität finden wir im nächsten Raum. Denn da die Wohnung ja nicht besonders groß und das eigentliche Schlafzimmer das Reich von Miriams Sohn ist, erfüllt das Wohnzimmer verschiedene Aufträge: Es ist nicht nur zum Wohnen, sondern auch zum Arbeiten und Schlafen da. Hier ist auch der kleine Arbeitsplatz, an dem Miriam ihre Hochzeitsfotos professionell bearbeitet. „Ich finde das gemütlich und liebe es so zu arbeiten.”
Genau wie Miriam hat auch ihr „Hamburger Jung” Christian seine persönliche Ecke. Wenn er seine Heimat wieder einmal zu sehr vermisst, spenden Kiez-Puppe, Alsterperlen-Fotos und Hamburg-Bücher Trost. Doch meistens kommt er gar nicht zum Trübsal blasen, weil es in der Wohnung immer was zu tun gibt. Für die Katzen hat Christian eine kleine Abenteuerlandschaft an die Wand gezaubert und den Balkon als Wohlfühloase hergerichtet. „Das ist mein absolutes Lieblingszimmer”, sagt Miriam und kuschelt sich mit Kater Rolf in die selbstgebaute Paletten-Lounge auf dem Balkon. „Natürlich nur bei schönem Wetter!”
Wie an vielen Plätzen in der Wohnung ommt uns hier ein Buddha entgegen. „So schön ist er ja nicht”, sagt Miriam und lacht. „Er steht hier wegen meiner Nähe zum Buddhismus. Auch der Dalai Lama ist jemand, den ich sehr verehre.” Religiös will Miriam sich nicht nennen, aber ihre Lebenseinstellung und ihr Stil kommen den ostasiatischen Vorbildern am nächsten. „Ich bin so `ne richtige Yoga-Uschi und außerdem ein sehr zuversichtlicher Mensch.” Miriam ist überzeugt, dass wenn man Gutes tut, es irgendwann zu einem zurückkehrt. „Irgendwie fügt sich für mich immer alles zusammen“, sagt Miriam mit einem sehr entspannten Lächeln im Gesicht.
Text: Jana Mareen Züger
Fotos: Costa Belibasakis