Neu in der
Nachbarschaft?
Stelle Dich jetzt den Menschen von nebenan vor.
Schreib uns!In dieser Rubrik sind wir zu Gast bei Kölnern, die uns ihre Wohnung zeigen. Diesmal besuchen wir Claus Michael Sierp, dessen Wohnung einem Museum gleicht. Der ehemalige Werbefachmann hat eine große Leidenschaft: Das Bewahren von Schallplatten, Kameras und alles, was irgendwie mit Medien zu tun hat. Aber auch alte Feuerzeuge oder Mainzelmännchen sind in seinen Regalen #zohus.
Claus Michael Sierp
Agnesviertel
An
100 m²
Fenster mit Blick auf dem Sudermanplatz oder im La Strada
historisch-klassisch-museumsreif
Heute mal kein „Ding-Dong!“ Die Türklingel brauchen wir nicht anzurühren, denn unser Gastgeber erwartet uns schon ungeduldig am Eingang des Mehrparteienhauses am Sudermanplatz, das er bewohnt: „Hallo! Sie wollen bestimmt zu mir!“ Genau! Und zwar aus einem ganz bestimmten Grund: Claus Michael Sierp ist seit mehr als 50 Jahren weithin bekannt und berüchtigt für seine Leidenschaft, Dinge aus der Medienwelt zu erhalten und aufzuheben. Bewahrens wert erscheinen ihm beispielsweise Kameras, Grammophon und Schallplatten, außerdem Feuerzeuge, Küchenutensilien und Telefone. Das alles wollen wir sehen und mehr über den Mann mit dem unbändigen Sammeltrieb erfahren.
Auf dem Weg durch das Treppenhaus bereitet er uns auf das vor, was uns hinter seiner Wohnungstür erwartet. Offenbar nicht viel in seinen Augen: „Ich habe hier eigentlich nur einen kleinen Teil meiner Sammlungen. Der Großteil lagert in verschiedenen Kellern.“ Seit Jahren schon versucht Sierp einen angemessenen Platz für seine vielen Schätze zu finden. „Ich könnte locker ein Museum mit 2.000 m² mit meinen Exponaten füllen“, schätzt er. „Aber leider finde ich bei der Stadt niemanden, der mir hilft. Dabei habe ich viele Stücke, die für Köln als Medienstandort von großem Interesse sein müssten.“ In Köln, einer Metropole mit mehreren Fernseh- und Radiosendern, Medienhäusern, zahllosen Produktionsfirmen und sogar einer Hochschule extra für Medienkunst, sollten sich doch genügend Interessenten für solch eine Sammlung finden lassen? „Für meine Sammlung wird es bald eng. Wenn ich nicht bald kostenlose Räume finde, steht die Sammlung vor der Vernichtung“ “, sagt der 64-jährige Werbefachmann im Ruhestand traurig.
Schon der lange Korridor mit vollgepackten Regalen verrät, dass der Bewohner dieser Wohnung Spaß an alten Dingen hat. Jedes Fotografenherz schlägt höher beim Anblick der Sammlung von historischen Foto- und Filmkameras, Originalen und Replikaten aus aller Herren Ländern und verschiedenen Jahrzehnten. Ein Regal weiter sind Benzinfeuerzeuge wie Ölsardinen aneinandergereiht. „Die stammen noch aus meiner Raucherzeit. Damit habe ich zum Glück aufgehört“, sagt Sierp. „Mit dem Sammeln aber nicht!“
Im Wohnzimmer staunen wir nicht schlecht: Kaum ein Fleckchen ist ungenutzt. Links hat sich eine Musikbox ihren Stammplatz ergattert. Sie strahlt in schönsten Neon-Leuchtfarben und preist durch ihr Fenster Singles von Roy Black und David Hasselhoff an. „Die hat mir ein Freund geschenkt. Er meinte, dass sie hierhergehört. Fan von Schlager bin ich aber nicht.“
Ansonsten findet Sierp seine Exponate auf Flohmärkten, in Trödelläden und manchmal auch in den Kleinanzeigen. „Meistens wissen die Leute gar nicht, was für Schätze sie da horten.“ Gelegentlich bekommt er ganze Nachlässe geschenkt. „Wenn die Sachen gut erhalten sind, ist das natürlich ein richtiger Glücksfall.“
Als Kind lebte Sierp am Hansaring neben einem Radiogeschäft. „Dort habe ich viel in der Werkstatt gespielt und mir die Nase plattgedrückt, wenn Fernseher im Schaufenster standen“, erzählt er. „Eigentlich war ich früher ein Radiokind. Meine Eltern wollten nicht, dass ich zu viel Fernsehen gucke.“ Vielleicht hat dieser Verzicht erst recht Sierps Leidenschaft für alles Mediale geweckt. Eine Leidenschaft, die ihn als Dozent bis an die Fachhochschule für Design KISD brachte.
Damit Interessierte wenigstens virtuell einen Blick auf seine Schätze werfen können, hat Claus Michael Sierp vor einigen Jahren ein Medien-Museum ins Netz gestellt. Auf mehr als 500 Internetseiten können sich die Besucher durch 1.350 Exponate klicken. „Man muss die alten Dinge doch bewahren“ sagt er. „Liebend gerne würde ich die Sachen auch häufiger im wahren Leben zeigen.“ So manchen Museen, unter anderem dem Kölner Stadtmuseum, hat er mit seinen Exponaten schon mal ausgeholfen. Auch diverse Ausstellungen hat er bereits kuratiert. „In der Kölner Messe hatte ich zum Beispiel eine Ausstellung während der Photokina“.
Claus Michael Sierp wäre der geborene Museumsdirektor: Zu jedem seiner Exponate kann er eine Geschichte erzählen. Selbst technische Details erklärt er so spannend, dass auch die größten Technikmuffel aufmerksam zuhören. „Neulich“, sagt Sierp, „hat ein junger WDR-Redakteur einen Beitrag über mich gemacht, der gar nicht mehr wusste, woher eigentlich der Begriff ‚Schneiden‘ bei der Film- und Tonbearbeitung kommt. Da wäre doch ein Ausflug in ein Medienmuseum, in dem man einen Filmschneidetisch erklärt bekommt, eine große Bereicherung.“
Zohus bei Sierp stehen auch alte Grammophon, die er gerne auch mal anschmeißt. „Zu oft sollte man das aber nicht machen, weil der Abrieb zu stark ist“, sagt er. Wir lauschen dem blechernen Klang und erfahren von Sierp mehr über diesen Vorfahren von Walkman und iPod. „Mein Vater hat so ein Gerät mit in den Grunewald zum Rudern genommen und konnte damit reichlich Eindruck schinden.“
Neugierig gucken wir in den Raum nebenan. Scheiben soweit die Regale reichen. Es müssen tausende sein. „Allein die Schallack-Platten sind ungefähr 6.000 Stück“ sagt Sierp. „Davon sind bereits 5.000 archiviert.“ Tonträger aus Vinyl besitzt er noch viel, viel mehr. „Ich habe Platten von ABBA bis Zappa!“ Als er noch Werbefilme produziert hat, kamen viele davon zum Einsatz. „Sie klingen einfach besser als MP3-Dateien“, findet er.
Und bei all den Lieblingsstücken in der Wohnung – wo ist Sierps Lieblingsplatz? Am liebsten steht er am Fenster oder auf seinem Balkon, blickt auf das bunte Treiben des Sudermanplatzes, hört dazu Musik und träumt weiter von seinem Medienmuseum. Wer mehr über die Sammlerstücke von Claus Michel Sierp wissen möchte, kann in seinem virtuellen Medienmuseum vorbeischauen.
Text: Jana Mareen Züger