William Nketia erzählt von seinem Leben in Köln
Foto: Patrick Essex

„Keine Angst, das färbt nicht ab!“

In dieser Rubrik treffen wir Menschen, die Dir in Deiner Nachbarschaft begegnen könnten. Diesmal erzählt uns William Nketia von seinem Wunsch nach Freiheit, wie er mit Offenheit die Integration meisterte und das Herz einer Kölnerin gewann.

Name

William Nketia

Geboren

13. Mai 1959

Beruf

Dozent und Dolmetscher

In Köln seit

1989

Veedel

Südstadt

Lieblingsort

Bei einem Brings-Konzert

„Bei uns in Ghana ist es üblich, dass die ärmeren Kinder auf das Internat gehen. Anders als hier in Deutschland. Das liegt daran, dass es in der Schule Essen gibt. Die reicheren Familien sind darauf nicht angewiesen und haben ihre Kinder lieber zu Hause am Tisch. Ich gehörte zu den Internatskindern.

Mein Vater arbeitete im mittleren Management einer Baufirma. Ich habe fünf Geschwister. Bei der Geburt des siebten Kindes starb meine Mutter. Damals war ich zehn Jahre alt. Wenn so etwas in Afrika passiert, hält die Familie fest zusammen. Wir Kinder wurden in der Familie aufgeteilt. Ich kam zu meiner Tante, zu der meine Mutter eine sehr enge Bindung hatte.

Meine Tante Florence wollte unbedingt, dass ich weiter zur Schule gehe. Und wenn ich mein letztes Kleid verkaufen muss, sagte sie immer. Das musste sie nicht, es reichte für das Essens- und Büchergeld, das zu entrichten war.“

Er war ein guter Schüler und später auch Lehrer

„Als besondere Motivation lobte die Schule einen Rabatt für die zehn besten Schüler aus. Ich strengte mich sehr an und war immer unter den Besten. Zuhause erzählte ich allerdings nichts von meinen besonderen schulischen Leistungen und behielt die kleine Differenz als Taschengeld.

Meine Tante und mein Lehrer kannten sich noch vom Dorf und liefen sich eines Tages in der Stadt über den Weg. Natürlich unterhielten sie sich über mich und die Schule und meine Tante jammerte: ‚Ach, bei euch ist alles so teuer.‘  Da war ich aufgeflogen und mein kleines Taschengeld futsch!“

Vor meinen Schülern äußerte ich mich auch mal kritisch über Ghana.
William Nketia

„Schon früh hatte ich den Wunsch selbst zu unterrichten. Ich gab Schülern aus reicheren Familien Nachhilfe und bekam dafür was Leckeres zu essen. Später, nach der Schule, wurde ich tatsächlich Lehrer, und zwar für Volkswirtschaftslehre. Das hat mir großen Spaß gemacht.

Allerdings habe ich mich vor meinen Schülern auch mal gegen die Wirtschaftspolitik unseres Landes geäußert. Leider war das zur Zeit der Militärdiktatur in Ghana und die fand es gar nicht gut, wenn jemand kritisch seine Meinung sagte. Oftmals verschwanden Menschen einfach, die das Regime kritisierten. Auch Kollegen von mir. Die waren dann einfach weg und niemand wusste, wo sie waren.“

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Sein Wunsch nach Freiheit führte ihn nach Köln

„Deshalb wollte ich freiwillig und selbstbestimmt fort. Nach Europa, eigentlich wollte ich unbedingt nach Schweden. Das erste Mal, 1985, habe ich es über Nigeria, den Senegal, Ägypten und die DDR versucht. In der DDR gab es leichter ein Visum, und damit bin ich über den Checkpoint Charly zwischen Ost- nach Westberlin. Leider wurde ich wieder zurückgeschickt. Das zweite Mal, 1989, versuchte ich es über Belgien, und so bin ich schließlich in Köln gelandet.

Deutschland fand ich toll und finde es immer noch. Ich weiß noch, wie ich damals gestaunt habe, dass ein Zug genau dann kommt, wie es auf dem Plan steht. Okay, heute muss man auch mal warten. Aber zu Afrika ist das kein Vergleich. Da geht man auf gut Glück zum Bahnhof.“

In Ghana war William Nketia Lehrer – in Köln ist er Dozent

„In Köln habe ich viel Glück gehabt. Zunächst wurde ich in einem Hotel für Asylanten in Ehrenfeld untergebracht. Auf der Venloer Straße lernte ich eine Frau kennen, die für das Allerweltshaus arbeitete und mich dorthin einlud. Das war ein entscheidender Schritt für mich. Von den Menschen dort wurde ich sehr unterstützt, begleitet und fit für den Alltag in Deutschland gemacht.“

In Köln studierte ich Betriebswirtschaftslehre.
William Nketia

„Dann wurde ich in ein Flüchtlingsheim nach Mülheim verlegt. Dort habe ich Deutsch gelernt und einen Antrag für ein Stipendium gestellt. Der Antrag wurde bewilligt, die Bettelei hatte ein Ende – ich konnte studieren. Ich entschied mich für Betriebswirtschaftslehre und schloss das Studium ab.

Heute arbeite ich als freiberuflicher Dozent an der Hochschule Düsseldorf, an der Volkshochschule Rhein-Erft und gebe an Kölner Schulen Herkunftssprachenunterricht in ‚Twi‘, eine der afrikanischen Sprachen. Manchmal arbeite ich auch als Dolmetscher.“

Mit Offenheit meisterte er die Integration und gewann das Herz einer Kölnerin

„In Köln habe ich mich von Anfang an wohlgefühlt. Diskriminierung oder Rassismus habe ich persönlich eigentlich nie erlebt. Vielleicht liegt das auch an meinem Umgang mit den Menschen. Ich bin offen und gehe auf alle zu. Wenn jemand irritiert wegen meiner Hautfarbe guckt, sage ich sowas wie ‚30 Jahre in der Sonne gelegen‘ oder ‚Keine Angst, das färbt nicht ab‘. Dann ist das Eis meistens gebrochen.“

Humor und Verständnis sind wichtig.
William Nketia

„Humor und Verständnis für den anderen, für verschiedene Kulturen – das ist das Wichtigste für das Zusammenleben und die Integration. Das erlebe ich tagtäglich. Schließlich bin ich mit einer sehr, sehr kölschen Frau verheiratet. Dietlinde habe ich über eine Zeitungsannonce kennen gelernt, die ich 2004 aufgegeben habe: ‚Ich habe Sehnsucht nach einem Wir-Gefühl‘. Die hatte Dietlinde wohl auch und hat mich angerufen. Wir haben uns am Telefon gleich verstanden, und wie der Zufall es wollte, trafen wir uns auch noch in der Kirche, die ich vor 25 Jahren mitbegründet habe und in der ich noch immer ehrenamtlich arbeite. Ja, und 2016 haben wir geheiratet.“

Text: Jana Mareen Züger