Andreas Breil ist als Veedelshausmeister in Kalk-Nord unterwegs
Foto: Thilo Schmülgen

Ein Hausmeister für alle

In dieser Rubrik stellen wir Dir spannende Projekte aus den Kölner Stadtteilen vor. Diesmal sind wir mit Veedelshausmeister Andreas Breil in Kalk-Nord unterwegs und erfahren mehr über seine Arbeit und die Kalkschmiede.

Wer mit Breil unterwegs ist, sollte Zeit mitbringen. Denn zu fast jeder Ecke, an der man vorbeikommt, fällt ihm eine Geschichte ein. So auch zur Kreuzung Remscheider/Kasernenstraße. Die Geschichte hat mit Müll auf den Straßen zu tun. Und der sei nach wie vor keine Ausnahme, auch wenn der Veedelshausmeister in Kalk schon für deutliche Verbesserungen gesorgt hat.

Kampfhähne auf der Müllhalde

Es war die größte wilde Müllhalde, auf die Andreas Breil jemals gestoßen ist: 47 Kubikmeter. Das sind 47.000 Liter oder 300 Badewannen. „Der Zaun um die Brachfläche war so zugewachsen, von draußen konnte man da gar nichts sehen“, so Breil. Anwohner erzählten später, dort seien Leute rückwärts mit ihren Autos herangefahren, um Wagenladungen von Unrat zu hinterlassen.

„Bei wilden Mülldeponien müssen wir erst einmal recherchieren: Wer ist für das Gelände zuständig – und wenn es städtisch ist, welches Amt?“ Die Zuständigkeit war in diesem Fall schnell geklärt. Aber bevor der Container bestellt werden konnte, stand Breil vor einem anderen Problem: „Ich musste das Veterinäramt anrufen. Denn mittendrin hausten drei große und gar nicht so ungefährlich wirkende Kampfhähne.“ Früher seien in benachbarten Kleingärten illegale Hahnenkämpfe veranstaltet und darauf gewettet worden. Diese älteren Hähne hatte man ausgesetzt, Anwohner fütterten sie. „Das Veterinäramt hat Kontakt zum Tierschutzbund aufgenommen. Nachdem die Tiere eingefangen und woanders untergebracht worden waren, konnten wir alles räumen.“

Gegen die Anonymität im Viertel

Mit dem Veterinäramt hat der Veedelshausmeister nicht so oft zu tun, mit anderen städtischen Einrichtungen schon. „Meine Hauptaufgabe ist es, den Bewohnern von Kalk-Nord Hilfen anzubieten und Schnittstelle zu sein, Aufgaben zu koordinieren.“ Es gibt Parallelen zum Sozialarbeiter, zum Streetworker, zum Manager und zum Politiker. „Wir wollen was tun gegen die Anonymität im Viertel. Und die Leute sollen mehr Verantwortungsgefühl bekommen für ihre Nachbarschaft.“

Manche Leute, die hier wohnen, sprechen nicht mit jedem.
Andreas Breil

Das Wort „neutral“ fällt häufig, wenn Breil seine Position beschreibt. Über die Stelle des Veedelshausmeisters sagt er: „Das sollte von Anfang an keiner vom Amt sein. Manche Leute, die hier wohnen, sprechen nicht mit jedem.“ Auch wenn er das nicht so formulieren würde, heißt das gleichzeitig: Mit Andreas Breil sprechen viele der Leute aus dem Viertel schon. Er ist einer von ihnen, lebt seit 1972 in Kalk-Nord.

Mehr Spielplätze und Hundewiesen für mehr Einwohner

Sein Viertel wächst: nicht von der Größe her. Nach wie vor wird es im Süden von der Kalker Hauptstraße begrenzt, im Westen von der Kalk-Mülheimer Straße; reicht im Norden bis zur Stadtautobahn und im Osten bis zum Bahndamm. Aber in diesem Areal leben immer mehr Menschen, überall werde seit Jahren neu gebaut. „Als ich 2012 angefangen habe, waren das 7.600 Wohneinheiten. Jetzt sind das mehr als 8.000 Wohnungen. Wir kämpfen darum, dass es für die Zugezogenen immer auch Kinderspielplätze und Hundewiesen gibt.“

Und dafür, dass bestehende Spielplätze bei Bedarf wieder in Schuss gebracht werden. So wie der an der Ecke Remscheider/Falckensteinstraße. „Das war früher eine Katastrophe. Alles kaputt und verdreckt. Heute wird der Spielplatz viel besser angenommen.“ Vor der Renovierung im Jahr 2018 diente ein großer Hügel als Spielfläche, dahinter hätten alle ihren Müll entsorgt, alte Einkaufswagen abgestellt. „Hier lag auch jede Menge Hundekot. Jetzt haben wir die Zäune etwas höher setzen lassen, damit die Hunde nicht so einfach hier reinspringen können.“

Der Hügel wurde abgetragen, das brachte mehr Freiraum und eine bessere Übersicht. Jetzt kann der Spielplatz von allen Seiten eingesehen werden. „Damit die Leute – falls mal was passiert – das Ordnungsamt oder auch die Polizei rufen können.“ Einer der beiden Eingänge zum Platz wurde auf Breils Betreiben hin versetzt: Der alte hatte sofort zum Kiosk an der vielbefahrenen Straße geführt, Der neue zwingt Kinder, die sich ein Eis holen wollen, zu einem kleinen Umweg und leitet sie an einer Bushaltestelle vorbei, wo die Autos nicht so dicht parken dürfen.

So haben alle was davon.
Andreas Breil

Nachdem der Spielplatz instand gesetzt war, wurde die breite Wand neu gestaltet, die das Gelände seitlich begrenzt. „Ich habe den Verwaltern dieser Immobilie gesagt: Wenn ihr eure Rückwand verputzen und imprägnieren lasst, dann machen wir ein schönes Motiv drauf – und alle haben was davon.“ Heute strahlt eine bunte Fantasielandschaft von der früher trostlosen Fläche.

Wie es der Zufall will, kommt gerade ein Mitarbeiter des Grünflächenamts vorbei. Sofort sind die beiden im Gespräch. Breil: „Es geht um ein soziales Projekt in der Kasernenstraße, ganz ähnlich wie hier. Die Wand, die dort verschönert werden soll, gehört der Deutschen Bahn.“ Zuerst hat die AWB sauber gemacht, jetzt soll das Grünflächenamt anrücken und den Wildwuchs herunterschneiden.

Kommunizieren auf dem ganz kurzen Dienstweg

„Es ist großartig, dass es einen Veedelshausmeister gibt“, sagt Gerhard Müller, der Mitarbeiter vom Grünflächenamt. „Wir kommunizieren direkt miteinander, auf ganz kurzem Dienstweg.“ Alle Beteiligten seien durch ihn in ständigem Austausch, Probleme könnten so schnell behoben werden. „Kollegen aus anderen Stadtteilen werden sicher traurig sein, dass sie keinen wie Andreas Breil haben.“

Ein gutes Beispiel, wie der Veedelshausmeister als Vermittler tätig ist. Wenn verstopfte Abwasserkanäle bei Starkregen überlaufen, ruft er bei den Stadtentwässerungsbetrieben an. Ausgefallene Straßenlaternen meldet er bei der Rheinenergie. Autoleichen lässt er über das Ordnungsamt abschleppen.

Laufen Müll- oder Altkleidercontainer über, wird Breil aktiv. Er arbeitet mit dem Nachbarschaftstreff in Kalk zusammen, den Hausmeistern der verschiedenen Wohnungsanbieter und mit den Spielplatzpaten. Viermal im Jahr setzt er sich mit verschiedenen Ämtern und Einrichtungen an den „Runden Tisch Quartiersentwicklung“, tauscht sich über Probleme aus und bringt sein Viertel voran.

Immer wieder muss der Müll weg

Immer wieder geht es bei Breils Einsätzen darum, die Vermüllung des Viertels zu bekämpfen. „Die Leute stellen Sperrmüll raus, melden den aber nicht an.“ In akuten Fällen nimmt er dann Kontakt zur AWB auf. Man arbeite aber auch daran, die Leute besser zu informieren, um das Problem langfristig zu lösen. Ein Selbstläufer ist das Ganze allerdings noch nicht. Dass merkt er gleich, wenn sein wachsames Auge mal nicht hinschauen kann. „Wenn ich drei Wochen Urlaub habe, dann lese ich schon in unserer Facebookgruppe: In Kalk steht wieder viel Sperrmüll rum.“

Auch an der Lilienthalstraße geht dieser Kampf ewig weiter. Hier, vor einem städtischen Wohnhaus, treffen immer wieder unterschiedliche Interessenlagen aufeinander. Die einen nutzen die Ecke als Parkplatz, andere laden Abfall ab. Dem setzt Breil frisches Grün entgegen. Dazu hat er Blumenkübel besorgt und aufgestellt. „Gemeinsam mit den Bewohnern bepflanzen wir die regelmäßig und machen hier sauber. Es sieht schon viel besser aus als früher.“

Fast immer im Einsatz für Kalk und die Bewohner

Andreas Breil ist eigentlich jeden Tag im Viertel unterwegs. „Ich habe mir das Gebiet in zwei Hälften aufgeteilt: Am Montag mache ich einen Rundgang durch die eine Hälfte, am Dienstag durch die andere und so weiter.“ Veedelshausmeister zu sein ist ein Vollzeitjob. Abends und am Wochenende hat er frei. Zumindest theoretisch. Manchmal schiebt er Extraschichten: bei dem Flohmarkt etwa, den er regelmäßig veranstaltet, beim großen Tag der Nachbarschaft, beim Sommerfest, beim Weihnachtsmarkt. „Wenn ich samstags ran muss, nehme ich mir halt den Montag frei.“

Im Alltag fällt immer wieder mal eine Überstunde an, die er nicht aufschreibt. „Wenn man hier wohnt, braucht man halt samstags mal zwei Stunden zum Brötchenholen. Die Leute haben ein Anliegen, das sie loswerden wollen. Dann denken die nicht: Der könnte ja jetzt Feierabend haben.“

Was den Veedelshausmeister schon gelegentlich stutzig macht: Wenn Leute ihn wegen Kleinigkeiten anrufen, die sie selbst regeln könnten. Etwa wenn der Wind ein Baustellenschild umgeweht hat oder der Aufzug nicht geht, nur weil ein Papiertaschentuch in der Lichtschranke liegt. „In der Zeit, in der sie mich angerufen haben, hätten sie das selbst beheben können. Aber damit muss man halt leben.“

Man kriegt in dem Job viel zurück.
Andreas Breil

Das gehöre zur Aufgabe dazu. Auch störe es ihn nicht wirklich, dass er – insbesondere was das Thema Abfall betrifft – eine ziemliche Sisyphusarbeit zu erledigen hat. „Man kriegt in dem Job viel zurück. Vor allem schätze ich, dass bei mir jeder Tag anders aussieht. Langeweile gibt es nicht und morgens weiß man nicht, was man bis abends zu tun haben wird.“

Weitermachen bis zur Rente

Wenn man ihn fragt, wie er Veedelshausmeister geworden ist, holt er ein wenig aus. Erzählt vom Strukturwandel in Kalk, den er selbst miterlebt hat, von Firmenschließungen wie die der Chemischen Fabrik Kalk, damals einer der größten Arbeitgeber im rechtsrheinischen Köln, in den 1980er und 1990er Jahren. „Es gab immer weniger Arbeit, auch die Bundesbahn hat Leute entlassen. Die Stadt hat insbesondere im Norden des Stadtteils nur noch Flickschusterei betrieben. Investiert wurde kaum noch.“

Anfang der 2010er Jahre habe sich das Blatt gewendet, Kalk wurde wiederentdeckt: mit seiner relativ innenstadtnahen Lage und der günstigen Autobahnanbindung nach Aachen, Düsseldorf und Frankfurt. Die Montag-Stiftung rief seinerzeit, unterstützt von der GAG Immobilien AG und der Stadt Köln, die „Kalkschmiede“ ins Leben. Das Projekt entwickelte ein Konzept, um die Wohnsituation in Kalk-Nord zu verbessern. Dabei entstand die Idee mit dem Veedelshausmeister.

Die Kalkschmiede hat 2011 den „Wohndialog Kalk Nord“ gegründet. Neben Stadt und GAG stiegen noch Mieterschutz, Vonovia und GWG zu Köln eG ins Boot. „Und die zahlen nun alle in einen Topf ein, aus dem ich bezahlt werde.“ Ursprünglich war es ein Projekt für ein Jahr. „Mein Vertrag wurde immer wieder verlängert. Aktuell läuft er bis Februar 2022.“ Dann wären zehn Jahre voll. „Ich kann mir gut vorstellen, das bis zur Rente weiterzumachen.“

Alle Infos im Überblick:

Bewohner von Kalk-Nord können Veedelshausmeister Andreas Breil ansprechen, wenn die Außenbeleuchtung auf der Straße defekt ist, sich in der Nachbarschaft der Müll türmt, Straßenpoller umgefahren wurden oder der öffentliche Abwasserkanal verstopft ist. Er hilft auch, wenn man einen Wohnberechtigungsschein braucht oder eine Baumscheibenpatenschaft eingehen will.

Sende einfach eine Mail an veedelshausmeister@web.de oder kontaktiere ihn von Montag bis Freitag telefonisch unter 0170/221 87 57, wenn Du seine Hilfe benötigst.

Text: Markus Düppengießer