Leben und Wohnen im Kölner Veedel Riehl
Foto: Thilo Schmülgen

Riehl. Das Großstadt-Dorf.

In dieser Rubrik betrachten wir das Leben und Wohnen in Köln. Von allen innerstädtischen Veedeln Kölns ist Riehl das dörflichste. Doch mit jedem neuen Kinderwagen halten auch hier urbane Veränderungen Einzug.

Hennes' Pflegerin Barbara Breuer

„Zoo und Stadion haben nichts miteinander zu tun“

Liegt’s am faden Nullnull vom Vorabend? An den tiefhängenden Wolken? An der mauen Fanpost-Ausbeute im rotweißen Stallbriefkasten? Riehls bekanntester Einwohner ist bockig. „Das hat er manchmal“, sagt Tierpflegerin Barbara Breuer. „Aber sobald eine Kamera da ist, wirft er sich in Pose. Das ist echt unglaublich.“ Profi eben. Hennes, das Wappentier des 1. FC Köln, lebt hier im „Clemenshof“ des Kölner Zoos gemeinsam mit Lebensgefährtin Anneliese, Ziegenbockkollege Thor und einer Handvoll Zicklein, mit Kühen, Schweinen und Schafen, mit Hamstern, Hasen und Hühnern wie auf einem Bauernhof im Bergischen Land. Nur eben mitten in der Stadt. Zooschulkinder winken durchs Stallfenster, FC-Fans teilen Freud‘ und Leid, Gästefans sinnen auf Revanche oder Schadenfreude. „Wenn Derbys anstehen, kriegt Hennes Bewachung.“

Bekloppte Fußballwelt. Hier in Riehl ist sie meistens weit, weit weg. „Das sind zwei ganz unterschiedliche Sphären“, erklärt Barbara Breuer. „Zoo und Stadion haben nichts miteinander zu tun. Ich sag immer: Hennes geht arbeiten.“ Anneliese bleibt – ganz klassische Rollenverteilung – zuhaus’ im Heu. „Sie schreit, wenn er weg ist.“ Aber wenn nicht gerade Spieltag ist, ist ihr Hennes ja da. Sommers, wenn der Zoo vor Besuchern aus allen Nähten platzt, und Winters, wenn nur ein paar wenige Anwohner vorbeiflanieren. Viele Riehler haben ein Jahresticket. „Das ist ihr Park“, sagt Breuer.

Der Stadtteil hat eine lange Tradition als Amüsierviertel. Bis hinein in die 50er Jahre drehten die Bahnfahrer im Radstadion ihre Runden, Wasserratten frönten im gleichnamigen Schwimmbad ihrer „Rheinlust“. Im „Goldenen Eck“ rund um Zoo und Flora sorgten die Attraktionen des Amerikanischen Vergnügungs-, später Luna-Parks für Zerstreuung. Sichtbare Spuren hat das einstige Lotterleben im heutigen Erscheinungsbild des Ortsteils kaum hinterlassen, Riehl gilt unter den innerstädtischen Veedeln als besonders ruhig. Von den Stadtvillen im Rücken der Flora bis hinüber zur Rheinaue lässt es sich für Kölner Verhältnisse geradezu lustwandeln, so aufgeräumt, grün und gediegen ist es hier.

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Anwohner Marita und Frenk Ditscheid

„Riehl verjüngt sich“

Nicht nur das Umfeld sorgt für einen Anflug von Kurort-Atmosphäre rund um die Stammheimer Straße. Beim Filialbäcker sitzen Bewohner des SBK, einem der größten Seniorenheime Europas, vor ihrer Tasse Filterkaffee. Die Mütter mit den Kinderwägen und die Omas mit den Hackenporsches zeugen von einem für Kölner Verhältnisse recht homogenen Bevölkerungsgemisch, der Anteil von Menschen mit migrantischem Hintergrund (rund 15 Prozent) ist vergleichsweise gering. Daran ändert auch das Flüchtlingsheim an der Boltensternstraße wenig, das Ankömmlinge aus den Balkanstaaten und Nordafrika beherbergt. „Wir bekommen von den Menschen dort relativ wenig mit“, sagt Frenk Ditscheid. Er lebt seit mehr als 20 Jahren in Riehl, seine Frau Marita ist hier aufgewachsen. Beide betreiben zusammen ein Bestattungshaus an der Stammheimer Straße und registrieren jede Veränderung. „Riehl verjüngt sich“, stellt Marita fest. „Man sieht auch bei uns immer mehr junge Frauen mit Kinderwagen.“

Mit den neuen Bewohnern ändert sich, wenn auch langsam, die Nachfrage. Die verbliebenen Inhaber-geführten Läden wie das Schreibwarengeschäft Blum und der Eisenwarenhandel Remagen haben zu kämpfen. Die Ditscheids beklagen den Rückzug der klassischen Gastronomie: „Die jungen Leute gehen nicht mehr so in die Kneipe.“

Ist das wirklich so? Ein paar Meter weiter Richtung Zoo wohnen die Vischers: Papa Marc und Mama Maria mit den Kindern Maxima (13), Julius (10) und Lia (8) sowie Hündin Foxy. „Alle Versuche, hier etwas Urbanität reinzubringen, sind bisher gescheitert“, sagt Marc und verweist auf eine Cocktailbar und ein österreichisches Restaurant, die nach kurzer Zeit verschwanden. Maria ergänzt: „Wir leben wie auf dem Dorf. Jeder kennt jeden. Aber immerhin: die Verkehrsanbindung ist super. Und wir können unsere Kinder mit dem Roller zur Frau Blum fahren lassen, ohne uns sorgen zu müssen.“ Auch das ist Lebensqualität.

Maxima wäre schon mit einer Drogeriefiliale und einem Klamottenladen zufrieden. So richtig wichtig ist ihr das aber nicht, denn ihre Gedanken schweifen in die Ferne. „Nach der Schule“ – sie besucht das Leonardo-da-Vinco-Gymnasium im benachbarten Nippes – „mach ich eine Weltreise.“ Ob Riehl bei ihrer Rückkehr noch wiedererkennen wird?

Text: Sebastian Züger