Leben und Wohnen im Kölner Veedel Buchforst
Foto: Thilo Schmülgen

Buchforst. Eine Insel mit zwei Bergen.

In dieser Rubrik betrachten wir das Leben und Wohnen in Köln. Buchforst ist einer der kleinsten, aber auch einer der ungewöhnlichsten Stadtteile Kölns. Und vermutlich einer der lautesten.

Ur-Buchforster Johanna und Lothar Rottländer

„Den Buchenwald hat schon Napoleon platt gemacht“

Schön ist es in Buchforst, wenn die Piloten streiken. Schön ruhig vor allem. „Wir sind offiziell ein Hochlärmgebiet“, erklärt Lothar Rottländer, gebürtiger Buchforster, vom Runder Tisch Buchforst e.V. Eingekeilt zwischen Bahnlinien und mehrspurigen Großstadtstraßen, dem kleinen und dem großen Kalkberg (Hubschrauberlandeplatz in spé) sowie der Einflugschneise des Köln-Bonner Flughafens, haben sich gegenwärtig knapp 7.500 Buchforster auf nicht einmal einem Quadratkilometer daran gewöhnt, die Ohren auf Durchzug zu stellen.

Vom Rauschen der Bäume des namensgebenden Waldes ist abgesehen von der durchaus imposanten Allee am östlichen Ortseingang nicht viel übrig geblieben. „Den Buchenwald hat schon Napoleon platt gemacht“, sagt Rottländer. Konsequent besiedelt wurde das sogenannte Kalkerfeld – das heutige Buchforst – allerdings erst seit etwa 1900, als in den angrenzenden Industriestädten Kalk und Mülheim die Nachfrage nach Bauland und Wohnraum immer mehr zunahm.

Heute ist es Buchforst selbst, das Expansionsbedarf hat. Aber wohin? Bauland gibt es keins mehr. „Einige Häuser an der Heidelberger Straße wurden kürzlich aufgestockt“, sagt Rottländer – mehr ist nicht drin. Dessen ungeachtet sind die Einheimischen ungebrochen produktiv und machen Buchforst, so Rottländers Ehefrau Johanna, „zum Durchlauferhitzer“. Die Leiterin der Gemeinschaftsgrundschule Kopernikusstraße weiß aus nächster Nähe, wovon sie spricht. „Ab dem zweiten Kind ziehen die meisten weg. Die Wohnungen sind hier einfach zu klein.“ Doch die Enge und die klaren Grenzen haben auch nützliche Effekte: „Die Insellage stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl. Für manche, die hier leben, beginnt in Mülheim ja schon das ,feindliche Ausland‘ ", sagt sie und schmunzelt.

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Denis Weitemeier vom Jugendzentrum „Area 51“

„Die sind alle hier geboren“

Dabei haben viele Buchforster selbst starke Bindungen ans Ausland, allerdings ans richtige. Laut Denis Weitemeiter, Leiter der „Area 51“, liegt der Migrantenanteil bei den Unter-18-Jährigen im Stadtteil gegenwärtig bei 74 Prozent. 70 Jahre Einwanderungsgeschichte – im Jugendzentrum an der Galileistraße sind sie täglich sichtbar. Mehr als 200 Kinder und Jugendliche treffen sich hier regelmäßig. „Die sind alle hier geboren, aber die Eltern oder Großeltern sind irgendwann aus der Türkei, Italien, Afrika, dem Balkan oder Russland gekommen.“

Edwin zum Beispiel, der beim Tischfußball gern einen aus der zweiten Reihe reinhaut. „Ich finde immer einen Weg“, sagt er und meint damit eigentlich das vielbeinige Gewirr am Kickertisch. Die Skills dafür hat er sich im Buchforster Alltag angeeignet, den auch Mert (21) sehr gut kennt. Der Ford-Azubi fährt mit seiner C-Klasse gern mal „was weiter weg“, hat schon Holland, Belgien und Frankreich bereist. Sein Traumjob: „Ich würde gerne in die E-Mobilität wechseln. Ich hab gehört, dass die Leute brauchen.“ Dafür würde er auch längerfristig raus aus Buchforst, sogar nach Schwaben oder Bayern, wenn’s sein muss: „Warum nicht? Ist Job!“

Ähnlich wie die beiden ist auch Diyarcan (18), der gerade ein Ausbildungsvorbereitungsjahr zum Mechatroniker absolviert, mehrmals die Woche im Jugendzentrum – zum Kickern, Playstation zocken oder einfach zum Abhängen. „Zuhause ist kein Platz, um sich zu treffen“, sagt er. Und dennoch: „Es lebt sich gut in Buchforst. Wenn ich morgens rausgehe, kann ich jedem die Hand geben.“ Wenn die Area 51 dienstags und donnerstags nur für Mädchen oder Kinder geöffnet hat, besprechen die Jungs halt auf dem Parkplatz, was tagsüber passiert ist. „Und danach geht’s manchmal auf die Ringe. Oder an den Rhein. Clubs oder Kneipen brauchen wir hier gar nicht. Es ist richtig so, wie’s ist.“

Wally Bage von „En d’r Hött“

„13 Kneipen hatten wir hier ...“

Das sehen die Damen und Herren, die sich schräg gegenüber En d’r Hött treffen, einer der letzten verbliebenen originalen Kölschtheken im Veedel, ein bisschen anders. „13 Kneipen hatten wir hier, ein Kino, Läden zum Einkaufen“, zählt Inhaberin Wally Bage vor. „Davon ist fast nichts mehr übrig.“ Aber nicht alles ist schlechter geworden: „Mein Mann Bodo und ich wohnen im Blauen Hof. Den haben die wirklich toll hergerichtet.“ Darum, dass Leben in der Bude bleibt, muss man sich eben selbst kümmern. „Sky haben wir abgeschafft, das war zu teuer. Aber dafür machen wir jetzt regelmäßig Events: Sommerfest, Oktoberfest, Elfter Elfter.” Und wenn’s mal keinen äußeren Anlass gibt, denkt man sich halt einen aus. Wer die Stille sucht, ist definitiv falsch in Buchforst.

Text: Sebastian Züger