Leben und Wohnen im Kölner Veedel Zündorf
Foto: Thilo Schmülgen

Zündorf. Einfach genießen.

In dieser Rubrik betrachten wir das Leben und Wohnen in Köln. Zündorf hat die Groov, eines der beliebtesten Ausflugsziele Kölns. Entspannung finden hier am Rheinstrand offenbar nicht nur die Besucher, sondern auch die Bewohner.

Fährmann Heiko Dietrich

„Ich fahr Boot, das ist mein Job“

Spätestens in Zündorf hört Köln auf, eine Stadt zu sein. Das sieht man nicht nur, das kann man auch riechen – und sogar schmecken. Spargel und Erdbeeren, die man hier kaufen kann, haben keine kilometerlangen Wege hinter sich – sie sprießen direkt bei Bauer Wermes. Der Marktplatz mit Minigolfanlage, Eisdiele und Ausflugsrestaurants versprüht den Charme einer Zeit, als im Fernsehen Professor Brinkmann praktizierte, der weiße Slipper trug und die Ärmel seines Pullovers vor der Brust verknotete. Gut möglich, dass sein Sportboot gelegentlich in der Groov anlegte, wenn er auf einen Schoppen im Restaurant „Am Yachthafen“ im Kanuclub „Zugvögel“ vorbeischaute. Und wenn er dann mit Schwester Christa im Arm abends durch die engen Gassen zwischen den Fachwerkhäusern Richtung Wehrturm flanierte, dürfte sich der TV-Arzt in Zündorf fast so heimisch gefühlt haben wie daheim in der Schwarzwaldklinik.

Seit eben jener Zeit, seit 30 Jahren, um genau zu sein, kreuzt Heiko Dietrich (72) mit seiner Fähre den Rhein zwischen Weiß und Zündorf. Tagtäglich bringt sein „Krokodil“ durchschnittlich 480 Passagiere von hüben nach drüben. „An Spitzentagen sind es 2.000“, knurrt der alte Seebär mit dem schlohweißen Bart und der Revoluzzer-Sonnenbrille, denn Knurren bereitet ihm fast so viel Vergnügen wie das Schmieden großer Pläne. „Das ist doch kriminell, was morgens und abends in den Bahnen und auf den Straßen los ist“, schimpft er und zeigt seinen Entwurf einer Schnellbootlinie, die künftig rheinauf- und -abwärts verkehren und so die großen Verkehrsadern entlasten soll. „Wenn wir nur fünf Prozent der Leute transportiert bekommen, ist der große Stau vielleicht schon weg.“

Dabei könnte ihm der doch herzlich egal sein. „Ich bin höchstens noch einmal im Jahr in Köln, das reicht mir“, sagt er und nimmt eine Brise Flussluft. „Ich hab so lang in großen Städten gelebt, das muss ich nicht mehr haben.“ Trotzdem will er sich beim Zündorfer Inselfest „die Frau Reker mal vorknöpfen“ und seine Idee andiskutieren. „Ich fahr Boot, das ist mein Job“, sagt er zwar, aber die Rolle als Retter Kölns vor dem Verkehrskollaps, die würde sich Dietrich schon gefallen lassen auf seine alten Tage.

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Hausmeister Wolfgang Andreas

„Ich hab mit der Hausmeisterei hier genug zu tun“

Auch das Ehepaar Andreas, das es aus Neuruppin und Westfalen nach Köln verschlagen hat und nun in der Hausmeister-Wohnung des Kanuclubs seinen Ruhestand genießt, fühlt sich im kleinen Vorort viel heimischer als in der City. Rund eine halbe Stunde braucht man mit dem Auto zum Dom – bei freier Bahn. Mit einem Motorboot wären’s nur ein paar Minuten. Aber – wozu? „Ich hab mit der Hausmeisterei hier genug zu tun“, sagt Wolfgang und setzt effektvoll seinen Grill in Brand. „Da gibt‘s jeden Tag was.“ Auch Ramona richtet ihren Blick lieber flussaufwärts. Jeden Morgen geht sie rund drei Stunden mit den Hunden Benny, Marley und Casey auf Wanderschaft: „Bis nach Langel runter, durchs Wäldchen – wunderschön.“

Zündorfer Linus Liermann

„Du hast alles in Laufweite“

Linus Liermann ist mit Frau und den zwei Kindern vor rund einem Jahr aus Mülheim nach Zündorf gezogen. „Wir wohnen jetzt in dem kleinen gelben Fachwerkhaus fast direkt Am Markt“, sagt er und zielt mit dem Zeigefinger an ein paar Parkbäumen vorbei. „Es ist fast ideal hier. Du hast alles in Laufweite: Ärzte, Supermärkte, die Groov, den Rhein, die Eisdiele. Und es ist so ruhig hier, Du bist noch in Köln, aber du hörst keine Autobahn!“ An Silvester, sagte man ihm, da würde es schlimm werden, da würden es die Leute wild treiben zwischen Rheinufer und Linus’ gelbem Lebenstraum. „Aber“, sagt er und zuckt die Schultern, „da war gar nichts.“

Förderverein Zündorfer Wehrturm

„Die genießen einfach die Nähe zum Rhein“

Die silvestergeschädigte Kölner Stadtverwaltung wird das gerne hören. Dort dürfte man froh sein, dass es Ortsteile gibt, die mit derart wenig Aufmerksamkeit auskommen. Zu wenig? „Schon“, findet Antje Winkler-Sueße. „Köln kümmert sich nicht wirklich um uns. Seit wir 1975 eingemeindet wurden, dauert alles ewig.“ Die freie Künstlerin hat sich damit arrangiert. Mit einem Team aus Ehrenamtlern organisiert sie jährlich sechs Ausstellungen im Zündorfer Wehrturm, den der Architekt Gottfried Böhm Ende der 1970er Jahre mit einer cleveren Raum-in-Raum-Konstruktion als örtliche Kunstoase erschloss. „Sehr gelungen“ findet Winkler-Süße diese Lösung, und auch sonst will sich die gebürtige Porzerin nicht beschweren, sondern hält es wie die meisten Zündorfer: „Die denken nicht so viel über ihren Ort nach. Die genießen einfach die Nähe zum Rhein.“

Text: Sebastian Züger