Leben und Wohnen im Kölner Veedel Rodenkirchen
Foto: Thilo Schmülgen

Rodenkirchen. Bisschen etepetete, aber grundentspannt.

Das Wasser des Rheins saust an der Kölschen Riviera genauso schnell vorbei wie überall, doch der Fluss des Alltags fühlt sich ruhiger an als sonst in Köln. Neuer Schwung aber ist bereits in Sicht. Hier erfährst Du mehr über den Stadtteil Rodenkirchen, triffst die Bewohnerinnen und Bewohner und findest Tipps rund um das Veedel.

Köln-Rodenkirchen im Porträt

Rodenkirchen im Vorfrühling. Die Sonne strahlt, die Enten schnattern. Und im Forstbotanischen Garten blühen Schneeglöckchen und Krokusse. Dalmatiner-Jungspund Bentley hat Hummeln im Hintern. Die Kölsche Riviera lockt mit Sandstrand und Spielkameraden in allen Größen. Aber Frauchen hält die Leine kurz. „Ich brauch‘ sonst ewig, bis ich den wieder eingefangen habe.“

Rosa Pyka

„Total hundefreundlich“

Würde das Tier vor ein Auto laufen? Sich im Asphaltdschungel verirren? Oder an Hundehasser geraten? „Nein“, sagt Rosa Pyka. „Hier unten am Rhein gibt’s kaum Verkehr, und die Rodenkirchener sind total hundefreundlich.“

Für Kinder ist Rodenkirchen wunderbar.
Rosa Pyka

Mit Lederjacke, Sneakern und langer Mähne ist die 21-Jährige ein geradezu exotischer Anblick im Retroschick Rodenkirchens. Es dominieren weiße Scheitel, farbige Steppjacken und Animalprints. Selbst Pelzmäntel sind hier noch keine aussterbende Art. Die Jurastudentin lebt seit mehr als 15 Jahren hier. „Für Kinder ist es wunderbar: alle Schulen am Ort, viel Platz zum Spielen und Vereine von Fußball bis Reiten.“ Jugendliche haben’s schwerer: „Die können sich eigentlich nur am Maternusplatz treffen und auf der Mauer am Fluss abhängen.“

Mit der Linie 16 ist Pyka in 40 Minuten in Bonn. An der Uni dort kann Bentley mitstudieren, das ist in Köln verboten. Dafür haben die Südstadt oder Ehrenfeld das interessantere Nachtleben. Rodenkirchen liegt für Rosa also perfekt.

Johannes Brauckmann

„Mehr Ruhe, mehr Rhein, mehr ...“

Das gilt auch für Johannes Brauckmann, seit 2019 Stadtteilbewohner. „Die Rodenkirchener wirken ein bisschen etepetete, aber eigentlich sind sie grundentspannt“, sagt der 48-jährige Games-Entwickler bei einem Glas Tempranillo im Bistro Verde. „Hier kann ich meine elfjährige Tochter ohne Bauchschmerzen zum Bäcker schicken. Das geht nicht überall in Köln.“ In Nippes und Ehrenfeld hat er schon gewohnt, „da ist natürlich mehr los“. Rodenkirchen hat andere Vorzüge: „Mehr Ruhe, mehr Rhein, mehr Luft zwischen den Häusern.“

Mehr junge Leute. Das wird dem Veedel guttun.
Johannes Brauckmann

Dennoch wünscht sich Brauckmann „ein bisschen mehr Dampf“. Den versprechen die Ansiedlungen von Cologne Business School und EUFH, der Europäischen Fachhochschule für Gesundheit, Soziales und Pädagogik. Beide wollen hier 2024 einen gemeinsamen Campus eröffnen. „Mehr junge Leute. Das wird dem Veedel guttun.“

Volker Lüdicke

„Die wissen, was Hochwasser bedeutet“

Volker Lüdicke runzelt die Stirn. Mehr junge Menschen bedeuten mehr von jener speziellen Krankheit, die der Leiter des Operativen Hochwasserschutzes der Stadtentwässerungsbetriebe (StEB) fürchtet: Hochwasserdemenz. „Die Alteingesessenen, die haben die großen Fluten erlebt, die wissen, was Hochwasser bedeutet“, sagt der Diplom-Ingenieur. „Die Neuzugezogenen müssen die Gefahr erst mühsam begreifen.“

Ab fünf Metern Rheinpegel bauen wir den mobilen Hochwasserschutz auf.
Patrick Kluding

Rodenkirchen liegt tiefer als die übrige Stadt, hier nimmt jedes Hochwasser in Köln seinen Anfang. „Ab fünf Metern Rheinpegel bauen wir am Leinpfad den mobilen Hochwasserschutz auf“, erklärt Sachgebietsleiter Patrick Kluding. Feste und mobile Sicherungen schützen die rund 70 Kilometer Kölner Rheinufer in einer Weise, dass Lüdicke, seit 2007 im Amt, „inzwischen gut schlafen“ kann.

Eine Lagerstätte für die mobilen Hochwasserschutzelemente befindet sich unweit der Rodenkirchener Autobahnbrücke. Der ikonische Rundbau mit den spektakulären Lichthöfen ist für solch einen Nutzbau ungewöhnlich. Einmal im Jahr öffnet die StEB das preisgekrönte Schmuckstück fürs Publikum des Acht-Brücken-Festivals.

Hartmut Arndt

„Artenvielfalt wieder so groß wie früher“

Den Kennern zeitgenössischer Klangkunst bietet sich bei der Anreise am Ortseingang Rodenkirchens das typische Bild: eine lange Reihe am Ufer fest vertäuter Schiffe. Nicht alle locken mit gastronomischen Angeboten wie die „Alte Liebe“, die „MS Rodenkirchen“ oder das „Rhein Roxy“. Den Reigen eröffnet die „Ökologische Rheinstation“ der Uni Köln, die Hartmut Arndt seit 1997 mit aufgebaut hat.

Der Rhein fließt hier bei uns direkt durchs Mikroskop.
Hartmut Arndt

„Der Rhein fließt hier bei uns direkt durchs Mikroskop“, erklärt der Professor. „So entdeckt man Tiere, die man sonst nur ganz schlecht finden würde: die vielborstigen Würmer zum Beispiel, die es eigentlich nur im Meer geben dürfte, aber durch den extensiven Kanalbau im Rhein gelandet sind.“

Das Ökosystem Rhein hat sich durch das Zutun des Menschen stark verändert. Durch die intensiven Begradigungen fließt das Wasser heute achtmal schneller als von Mutter Natur vorgesehen. Arndt und sein Team dokumentieren die daraus resultierenden Veränderungen, entdecken eingeschleppte Arten und schaffen die wissenschaftlichen Grundlagen für Wiederansiedlungen, etwa von Lachs oder Maifisch.

Immerhin: Arndt hat gut Nachrichten: „Die Artenvielfalt im Rhein ist mittlerweile wieder so groß wie früher. Allerdings sind es andere Arten.“ Damit geht es dem Rhein wie Rodenkirchen: alles im Fluss.

Text: Sebastian Züger I April 2023