#zohus
auf Instagram
Verpasse keinen neuen Beitrag.
Jetzt abonnierenIn dieser Rubrik findest Du Gastro-Tipps aus Deinem Veedel. Diesmal in unserem Kneipen-Special: Die Braustelle in Ehrenfeld, die kleinste Brauerei Kölns. Statt mit großem Ausstoß glänzt sie mit einem exklusiven Angebot selbst kreierter Biere.
Christianstraße 2, 50825 Köln-Ehrenfeld
Di–Sa 18:00–01:00 Uhr
Helios, selbstgebrautes Ur-Kölsch vom Fass, 1,80 €
Dem Craftbeer-Trend immer einen Schritt voraus
Peter Esser versteht sein Handwerk. In Zeiten fröhlich florierenden Craftbeer-Dilettantismus’ keine Selbstverständlichkeit. Die Ausbildung zum Brauer und Mälzer hat der Betreiber der kleinsten Brauerei Kölns in der ältesten Brauerei Deutschlands absolviert: im bayerischen Weihenstephan. „In unserer Branche gibt es viele Autodidakten, da kommt manchmal durchaus was Gutes raus“, urteilt er milde. „Manchmal“ und „durchaus“ reicht aber nicht, wenn man – wie Esser das seit 2001 tut – aus seinen 8 Hähnen verlässlich Qualitätsbiere zapfen will, die es in dieser Kölsch-fixierten Stadt sonst (fast) nirgendwo zu trinken gibt.
Zum Beispiel das milde „Oatmeal Stout“ (0,3 l/3,50 €), das nicht nur aussieht wie ein waschechtes Guiness, sondern mindestens genauso rund und weich über die Zunge perlt. Oder „Eddy the Eagle“ (0,3 l/3,80 €), ein dunkler Winterbock, benannt nach einem britischen Selfmade-Skispringer, der in den 90er Jahren die Schanzen Europas unsicher machte; 6,8 Prozent Alkoholanteil erleichtern den Absprung nicht unbedingt. Oder der Dauerbrenner „Pink Panther“ (0,3 l/3,20 €), ein fruchtiges Bier mit Hibiskusblüten und ungewöhnlicher Färbung. „Ungewöhnlich, aber lecker“, findet eine Besucherin den rosaroten Panter in Flüssigform.
Wie für die Braustelle üblich, sind auch an diesem gänzlich unspektakulären Januar-Wochentag alle Tische besetzt. Wer hier trinken und speisen und das nicht im Stehen tun will, sollte reservieren. Es lohnt sich: Der Köbes lädt kräftige Brauhaus-Küche in üppigen Portionen auf den Tisch, die – wie der Braumeister selbst – gelegentlich über den kölschen Tellerrand schaut. Für den nicht ganz so großen Hunger tut’s auch eine Portion des aus Malztreber, einem beim Brauvorgang anfallenden Nebenprodukt, selbst gebackenen Brots mit Griebenschmalz oder Butter (2,80 €).
Als anständiger Kölner Braumeister hat Esser natürlich auch ein Kölsch im Programm: das Helios. „Genau genommen ist das kein Kölsch“, erklärt er. „Es ist naturtrüb, also ungefiltert, und entspricht damit einem sogenannten Wiess.“ Die bekannten Platzhirsche filtern ihre Kölschbiere, weil diese erst dann die typisch goldgelbe Färbung erhalten, die auf Werbeplakaten so verlockend aussieht. Esser aber spart sich die Mühe – und zwar nicht aus Bequemlichkeit, sondern aus Überzeugung: „Der Aufwand ist riesig, und man holt dabei viel Geschmack raus.“ Wie es scheint, hatte er damit schon früh den richtigen Riecher: Naturbelassene Hopfensäfte, oft als „Kellerbiere“ vermarktet, liegen seit einiger Zeit im Trend und sind mittlerweile auch im Supermarkt-Regal zu finden.
Dorthin will Esser nicht mit seinen Erzeugnissen, er ist sich mit seiner Braustelle selbst genug: „Ich habe nicht vor zu expandieren.“ Auf durchschnittlich rund 4.000 Liter kommt seine Produktion im Monat, und dabei bleibt es bis auf Weiteres. Wenn Esser etwas erweitert, dann sein Getränke-Repertoire. Seit 2016 verfügt er mit Pittermann’s Destillerie über eine hauseigene Schnapsbrennerei. Hier werden Likör-, Genever- und Gin-Variationen hergestellt, die unter anderem unter dem sympathischen Namen „Schlachtplatte“ vertrieben werden. „Wird gut angenommen“, sagt Esser und schmunzelt.
Aus den Boxen klingt an diesem Abend dezent, aber vernehmbar, Rock zwischen Punk und Indie. Wer kölsche Lieder hören will, ist in der Altstadt besser aufgehoben. Das Publikum aus dem überwiegend alternativ gentrifizierten Ehrenfeld weiß die Musikauswahl zu schätzen. Im Karneval – während der Tollen Tage bleibt die Braustelle zu – und mit Kulturangeboten hält sich Esser eher zurück, sein Laden ist schließlich auch ohne Spezialprogramm meistens ausgebucht. Livemusik gibt es nur gelegentlich, etwa beim Ehrenfeld-Hopping im Frühjahr.
Was es gibt, sind Brauereiführungen (nach Vereinbarung) und Brauseminare (ein Tag, zwölfmal im Jahr). Und seit dem 29. Juni 2019, „Pittermann’s Whiskey“, der erste Whiskey der Geschichte aus Kölner Herstellung. Mal sehen, ob Peter Esser auch hier wieder den richtigen Riecher hat.
Text: Sebastian Züger