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Jetzt folgenIn dieser Rubrik lernen wir Kölner Vereine kennen. Diesmal waren wir bei einer Müllsammelaktion der Kölner Rhein-Aufräum-Kommando-Einheit (K.R.A.K.E.) e. V. dabei.
In vielen Veedeln aktiv
Jeder kann mitsammeln und Facebook-Freund werden, auch Fördermitgliedschaften ab 12 Euro pro Jahr und Spenden sind möglich.
Was man zum Mitmachen braucht, gibt es kostenlos am Treffpunkt
Alle Sammeltermine finden sich auf der Webseite. Viele Aktionen werden kurzfristig geplant und nur ein bis zwei Wochen vorher angekündigt.
„Sammelt alles auf, was ihr als großes Tier nicht fressen wolltet.“ Die Anweisungen, die Christian Stock zur Begrüßung gibt, sind nicht allzu komplex. Die Aufgabe, vor der die Teilnehmer der Aktion stehen, ist es auch nicht. Das ändert aber nichts daran, wie gut und wichtig das Engagement jedes Einzelnen ist. Von den Bürgersteigen und aus den Büschen wird all der Unrat gepickt, den unbedachte Zeitgenossen hier hinterlassen haben. Heute erstmalig in Neu-Ehrenfeld, entlang der Liebigstraße und bis zum Blücherpark.
Zur Sammlung aufgerufen hat die Kölner Rhein-Aufräum-Kommando-Einheit, kurz „Krake“. „Der Name ist mir damals nach ein paar Kölsch eingefallen“, erzählt Christian Stock. Der Schauspieler hat die Einheit 2016 ins Leben gerufen, im internen Jargon wird er daher auch der „Krakenpapa“ genannt. Mehrmals im Monat ist die Gruppe im Einsatz, anfänglich wurde vor allem das Rheinufer abgesucht. „Aber inzwischen lassen wir uns in ganz Köln sehen“, sagt Stock. Und das nicht nur, weil der relativ hohe Wasserstand das im Rhein gerade deutlich erschwert.
Durchschnittlich folgen bei jeder Aktion 150 Menschen dem Aufruf. Mitmachen kann jeder, der will. Die Termine werden via Facebook veröffentlicht. Handschuhe und Säcke stellen die Abfallwirtschaftsbetriebe Köln kostenlos zur Verfügung. Damit die Veranstalter genügend Sammelmaterial bestellen können, bitten sie um Anmeldung. Und auch, um bei einem Coronafall die Nachverfolgung gewährleisten zu können – „das ist aber noch nicht vorgekommen.“ Die Sammler sind schließlich nur in kleinen Gruppen oder alleine unterwegs, und immer an der frischen Luft.
„Es macht Spaß, ist für einen guten Zweck und man lernt neue Leute kennen“, erklärt Joelle Weber, warum sie mal wieder dabei ist. Auch lasse sich Köln auf diesem Wege ganz neu entdecken – „herrlich!“ Gleichzeitig ist Weber regelmäßig entsetzt darüber, was alles einfach so weggeworfen wird: „Unglaublich, was die Menschen der Natur antun!“
Die Maiers sind zum ersten Mal dabei, sie wohnen hier im Veedel. Allerdings nimmt die Familie – allen voran die Kinder Pia (3) und Justus (6) – auch bei privaten Wanderungen immer eine Mülltüte mit und sammelt. „Wir hoffen, dass davon eine Signalwirkung ausgeht. Dass andere selber anfangen zu sammeln – oder zumindest nichts mehr ins Gebüsch werfen.“
„Wir bücken uns gerne nach dem Unrat der anderen, unser Motto ist: Müllsammeln ist sexy“, sagt Krakenpapa Christian Stock. „Wir sind nicht mit erhobenem Zeigefinder unterwegs. Der Spaß ist ein ganz wichtiger Faktor – sonst kämen die Leute ja nicht wieder.“ Inzwischen gibt es auch eine Playlist zum Müllsammeln, einen trashigen Soundtrack von Alligatoahs „Lass liegen“ über Michael Jacksons „Earth Song“ bis hin zu „Schieb' den Wal zurück ins Meer“ von Funny van Dannen.
Wer früh genug an den Treffpunkt kommt, kriegt eine alte Konservendose zum Umhängen mit: für Zigarettenkippen. „Kippen sind das, was weltweit am meisten weggeworfen wird.“ Bei diesem Thema wird Stock ernsthafter im Ton: „Jede achtlos weggeschnippte Kippe ist Giftmüll. Ein Regenschauer reicht und sie verschmutzt 40 Liter Grundwasser.“ Die Zigarettenreste werden am Ende der Aktion in einer überdimensionalen Kölschstange aus Plastik zusammengeschüttet: „Im Durchschnitt sammeln wir etwa 30.000 Kippen. Am extremsten war eine Aktion rund um Ebertplatz und Eigelstein. Da kamen in zwei Stunden 47.000 Kippen zusammen.“
Apropos extrem. Auch skurrile Fundstücke sind gelegentlich dabei: ein Betonmischer im Gebüsch, ein Rollator im Schlamm, ein voller Urin-Katheter. Flaschenpost wird regelmäßig aus dem Rhein gefischt, einmal war es ein Mammutzahn – „und im vergangenen Oktober eine 35 Jahre alte Kölschdose“. Der meiste Müll aus den Aktionen geht an die AWB und wird verbrannt – noch. Das soll sich ändern. Fürs Wintersemester ist ein Projekt an der Kölner Uni geplant: Studierende arbeiten an einem Recycling-Konzept.
Aktuell treibt die Kraklinge noch ein deutlich größeres Projekt um. Sie wollen im Rhein eine schwimmende Müllfalle installieren: eine trichterförmige Konstruktion, die rund um die Uhr Unrat schluckt. Das aufwendige Genehmigungsverfahren durch die Behörden ist gerade abgeschlossen, nun dürfen sie den Müllfänger errichten: rechtsrheinisch, in Höhe der Zoobrücke. Die Kosten werden bei 50.000 Euro liegen. „40.000 Euro haben wir aber schon sicher“, so Stock, „wir haben viele Sponsoren, die uns unterstützen.“
Stock geht auch in Unternehmen, um dort Vorträge zu halten – und noch lieber in die Schulen: „Kinder sind leichter umzuerziehen als Erwachsene. Und es macht so viel Spaß, danach mit ihnen Müllsammeln zu gehen.“ Auch in der Politik ist der Verein angekommen. Parteien laden regelmäßig zu Sammelaktionen ein – oder zum Austausch via Zoom-Meeting. „Die sind offen für unsere konstruktiven Vorschläge.“
Die „Krake“ ist sich durchaus darüber bewusst, dass sie nicht der einzige Verein ihrer Art ist. In den vergangenen Jahren sind etliche andere Initiativen mit ähnlicher Stoßrichtung entstanden, mit vielen tauscht man sich aus. Warum Schauspieler Stock das Kölner Aufräumkommando ins Leben gerufen hat? „Ich war damals in Nepal unterwegs, um einen Film zu drehen. Und hab' gesehen, wie dort mit dem Müll umgegangen wird. Die kippen einfach alles in den Fluss. Als ich zurück nach Deutschland kam, dachte ich: Du musst was tun.“
Stock fing im Kleinen an. „Immer wenn ich am Rhein war, habe ich da in einem gewissen Radius saubergemacht. Zuerst, weil ich's dort selber schön haben wollte. Dann aber auch aus Idealismus. Ich wollte ja nicht, dass unser Müll in der Nordsee landet.“ Erst kamen nur ein paar Freunde dazu. „Und langsam hab' ich das an die immer größere Glocke gehängt“ – und damit einen Nerv getroffen. Schnell war eine Facebook-Gruppe gegründet, dann die Webseite erstellt. 2019 gewann man den Ehrenamtspreis der Stadt Köln. 2020 entstand der eingetragene Verein. Der wächst und wächst – „ich bin selbst überrascht, wie schnell das so groß geworden ist.“
Text: Markus Düppengießer