Kronleuchtersaal in der Kanalisation in Köln
Foto: Klaudius Dziuk

Kronleuchtersaal – Licht in der Kanalisation

In dieser Rubrik gehen wir zusammen auf Entdeckungstour durch Köln. Diesmal bringen wir Licht in die Dunkelheit der Kanalisation und erkunden den Kronleuchtersaal nicht weit entfernt vom Ebertplatz, der Köln von unten und von einer besonderen Seite zeigt.

Adresse

Konrad-Adenauer-Ufer 80, 50668 Köln

Kosten

Kostenlose Führungen

Besonderheit

Historischer Saal in der Kanalisation

Weitere Informationen

Derzeit sind keine Besichtigungen möglich. Mehr Infos auf der Website der Stadtentwässerungsbetriebe Köln

Die Bodenluke steht schon offen. Sie liegt gleich neben dem kleinen Häuschen, von dem aus die Arbeiter der Stadtentwässerungsbetriebe Köln (StEB) die Hochwasserschieber absenken können, wenn es nötig ist. Hier, unter dem Grünstreifen am Theodor-Heuss-Ring, ist ein historischer Punkt der Kölner Kanalisation: der unter Denkmalschutz stehende Kronleuchtersaal. Sein glamouröser Name entstand, weil in den Raum schon zu seiner Fertigstellung 1890 ein Kronleuchter gehängt worden sein soll, damit Besucher ihn in Augenschein nehmen könnten. Insbesondere hofften die Kölner auf eine Visite des damaligen Kaisers Wilhelm II.

Der Kaiser in der Kanalisation? Die Vorstellung war weniger befremdlich, als sie auf den ersten Blick erscheint, denn der Kronleuchtersaal stand seinerzeit für absoluten technischen Fortschritt. Er ist ein Entlastungsbauwerk, was bedeutet: Genau hier kann das Wasser eine alternative Route einschlagen, wenn der Hauptkanal überflutet ist, zum Beispiel durch starken Regen. Dieser Fall tritt heute etwa zehn- bis fünfzehnmal im Jahr ein.

Kronleuchtersaal als Entlastungsbauwerk für Abwasser

„An einem normalen Tag erreichen das Hauptklärwerk in Stammheim etwa 200.000 Kubikmeter Abwasser“, erzählt Stefan Schmitz, Betriebsleiter Netze bei den StEB Köln. Neben den Abwässern aus Bad und Toilette fließen auch die Wasserladungen aus Wasch- und Spülmaschinen sowie industrielle Abwässer in den Leitungen zusammen. Eine Menge von 200.000 Kubikmetern Abwasser entspricht ungefähr dem Inhalt von einer Million Badewannen. Damit sind die Kapazitäten des Klärwerks aber keineswegs ausgereizt: Bis zu 600.000 Kubikmeter verschmutztes Wasser kann es aufnehmen und innerhalb von 24 Stunden wieder in Frischwasser verwandeln.

Wenn diese Menge überschritten ist, macht das Klärwerk in Stammheim seine Tore zu. Die Folge: Das Abwasser, das seinen Weg bis hierhin schon gefunden hatte, staut sich zurück. In Entlastungsbauwerken wie dem Kronleuchtersaal kann es über den Rand der Kanalrinne treten und schwappt in einen danebenliegenden Lauf, der direkt zum Rhein führt.

Regelmäßige Inspektionen im Kronleuchtersaal

„Bei Starkregen ist das Abwasser durch die Vermischung mit dem Regenwasser so sehr verdünnt, dass es nicht mehr klärpflichtig ist“, erklärt Schmitz. An normalen Tagen jedoch ist die Mischung mit äußerster Vorsicht zu behandeln. Durch Wasch-, Spül- und Reinigungsmittel enthält sie zahlreiche Chemikalien – zusätzlich zu sonstigen menschlichen Hinterlassenschaften. „An den Geruch gewöhnt man sich“, sagt Karl-Heinz Tholl. Der Schlosser gehört zum Team der etwa 70 Mitarbeiter, die für die StEB regelmäßig in den Kanälen unterwegs sind. Das gesamte, etwa 2.400 Kilometer lange Kanalnetz muss regelmäßig alle 15 Jahre inspiziert werden.

Das geschieht abschnittweise. Immer sind irgendwo unterhalb der Kölner Straßen Arbeiter unterwegs. Mit Kopflampen ausgestattet und in spezieller Kleidung waten sie durch die Abwasserkanäle und prüfen den Zustand der Wände. Gibt es zum Beispiel Risse im Mauerwerk? Oder ausgewaschene Fugen? Solche Schäden werden dann rechtzeitig behoben, damit weder Grundwasser in die Kanalisation eindringt, noch unkontrolliert Abwasser ins Erdreich austreten kann.

In dieser Hinsicht wurde im späten 19. Jahrhundert ganze Arbeit geleistet: Im Kronleuchtersaal, der ganz aus einem speziell gebrannten Klinker gebaut wurde, ist noch alles intakt. Inzwischen gibt es etwa 50 Entlastungsbauwerke in der Kanalisation. Rohre, die bei Nichtgebrauch trocken liegen, führen von dort zum Rhein. Damit bei Hochwasser nicht etwa der umgekehrte Fall eintritt und Rheinwasser in die Rohre flutet, gibt es außerdem ca. 800 Hochwasserschieber: schwere Falltore, die auf Knopfdruck geschlossen werden können.

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Echte Visionäre entwarfen den Kronleuchtersaal

Beeindruckend sind, neben der Funktionsweise des Kronleuchtersaals, auch seine Ästhetik, die bis heute zuverlässige Qualität der Anlage und das Fassungsvermögen der Kanalisation, von der zumindest große Teile im zentralen Kölner Stadtgebiet schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden. „Damals lebten in Köln ja nur 200.000 Menschen. Heute sind es mehr als eine Million Menschen, und wir nutzen die gleiche Kanalisation noch immer! Die Planer, die das damals alles angelegt haben, waren echte Visionäre“, sagt Schmitz.

Auch für die Handwerker, die das Gewölbe errichtet haben, ist er voll des Lobes. „So präzise kann heute gar keiner mehr arbeiten“, bedauert er mit Blick auf die sauber gemauerten Wände, die nach oben hin in mehreren Kreuzgewölben zusammenlaufen: Architektur, die sich sehen lassen kann. Das liegt wohl auch an dem hohen Aufwand, der damals betrieben wurde. Heute, so Betriebsleiter Schmitz, baue man so etwas mit 30 Arbeitern innerhalb von sechs Monaten. Zwischen 1886 und 1890 hingegen waren rund 400 Arbeiter vier Jahre lang damit beschäftigt, das Bauwerk zu errichten.

Heute erinnert in der unterirdischen Anlage eine prachtvolle Gedenktafel an die Oberbürgermeister Stübben, Stadtbauinspektor Steuernagel, Ingenieur Berger und den Bauunternehmer Menzel, die für den Kronleuchtersaal verantwortlich zeichneten.

Kühle Führungen und außergewöhnliche Akkustik

Zu einem Besuch des Kaisers kam es nicht. Trotzdem wurde vor einigen Jahren ein neuer, elektrisch betriebener Kronleuchter installiert, denn die präzise Arbeit der Handwerker und Planer vergangener Tage findet heute nach wie vor Beachtung und Wertschätzung. Während des Sommerhalbjahres kommen regelmäßig Besuchergruppen, um das unterirdische Denkmal zu besichtigen.

Und nicht nur das! Die außergewöhnliche Akustik, die aufgrund der Kanalrohre ein starkes Echo hat, zieht auch Musikliebhaber an. Dann sitzen auf der Empore neben dem trägen, braunen Abwasserfluss Musiker und spielen. Auch wenn sie, anders als die Gäste im Publikum, dabei keine Hand frei haben, um ein Pfefferminzsträußchen unter die Nase zu halten. Einmal im Jahr an vier Tagen finden im Kronleuchtersaal Konzerte statt. Durch das Echo der Gewölbe und Kanäle ergibt sich eine außergewöhnliche Akustik.

Text: Johanna Tüntsch