Hans Josef Henerichs im Barbarastollen in Köln
Foto: Klaudius Dziuk

Barbarastollen – geheime Zeche unter der Aula

In dieser Rubrik gehen wir zusammen auf Entdeckungstour durch Köln. Diesmal zeigen wir Dir Köln von unten und besichtigen den Barbarastollen in Köln-Lindenthal. Der originalgetreu nachgebaute Bergwerkstollen aus den 1930er Jahren befindet sich direkt unter der Aula der Universität Köln.

Adresse

Albertus-Magnus-Platz, 50923 Köln

Kosten

Tickets 18 €, ermäßigt 16 €

Besonderheit

Schaubergwerk mitten in Köln

Weitere Informationen

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Manchmal findet man beim Aufräumen etwas wieder. Und manchmal findet man etwas, von dem man gar nicht wusste, dass es da ist. So ging es auch einigen Lageristen, als sie in den 1980er Jahren an der Kölner Universität einen Grundputz der Kellerräume unterhalb der großen Aula vornahmen.

Hinter einem Schrank offenbarte sich plötzlich eine verborgene Tür, die sie in Ermangelung des passenden Schlüssels aufbrachen. Unerwartet standen sie plötzlich in einem historischen Schaubergwerk. Da gab es einen klobigen Pressluftkompressor, Wände voller Steinkohle, ein Förderband, Schienen, Holztüren mit Belüftungsluken, einen Füllort mit Blindschacht und Fördermaschine und einen Gang, gesichert von gotisch anmutenden, spitz zulaufenden Holzbalken.

So präsentiert sich der Raum bis heute den Besuchern, die ihn hin und wieder aufsuchen. Zum alten Pressluftkompressor hat sich ein zweiter gesellt. Neu ist auch ein schmiedeeisernes Mundlochtor aus dem Erzgebirge, durch das das Bergwerk zu betreten ist. Ansonsten ist, im Wesentlichen, alles noch so, wie es die Geologen und Mineralogen hinterlassen haben, als der Zweite Weltkrieg ausbrach und mit ihm das kuriose kleine Bergwerk in Vergessenheit geriet.

Der Barbarastollen war nirgendwo verzeichnet

Einer, der sich intensiv mit dem unterirdischen Schaubergwerk und dessen Geschichte beschäftigt hat, ist Professor Claus Piekarski. Der Arbeitsmediziner leitete in jenen Tagen, als der Barbarastollen wiederentdeckt wurde, an der Kölner Uni das Institut und die Poliklinik für Arbeitsmedizin, Umweltmedizin und Präventionsforschung. Zugleich war er Ärztlicher Direktor der Ruhrkohle AG Essen und dadurch in der Welt des Kohleabbaus gut vernetzt.

So wurde er, wenn auch über Umwege, zum Mentor des Barbarastollens. „Ich bekam einen Anruf des Bochumer Bergbaumuseums mit der Nachricht, dass die Kölner Uni ihnen eine Schüttelrutsche angeboten habe. Ob ich etwas darüber wüsste?“, erinnert sich Piekarski. Sofort ging er der Sache auf den Grund – und was er fand, war „mehr als abenteuerlich“, wie er schildert: „Das Bergwerk war in keinem Bauplan der Universität verzeichnet. Ich war fasziniert, ein solches historisches Juwel noch fast unberührt vorzufinden!“

Statt Schüttelrutsche nun Klopapier im Schaubergwerk?

Zunächst aber musste der Umgang mit dem Kellerfund geklärt werden. Denn nicht nur Bergbau-Experte Piekarski war begeistert, sondern auch die Arbeiter, die den Raum gefunden hatten. Ihr Interesse galt allerdings weniger der außergewöhnlichen Anlage als vielmehr dem Areal, in dem diese untergebracht war. „Ihr erster Schluss: Prima, das schafft zusätzlichen Stauraum für unser 'Klopapier' und andere Dinge. Aber erst muss der 'Schrott' hier raus“, erinnert sich der Professor, der jedoch erreichen konnte, dass das Bergwerk nicht abgebaut, sondern in Zusammenarbeit mit der Ruhrkohle AG 1984 restauriert und wiedereröffnet wurde. Heute ist der Barbarastollen in die offizielle Sammlung des Bergbauerbes aufgenommen, sowie in die Liste der bergbauhistorischen Lehreinrichtungen der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).

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Der Barbarastollen war für Studenten

Der Stollen, geplant als Querschlag, erstreckt sich über eine Länge von 30 bis 40 Metern. Echte Kohleflöze aus dem Raum Eschweiler und Stolberg sind an den Wänden angebracht, um einen besonders anschaulichen Eindruck vom Leben und Arbeiten in der Zeche zu vermitteln.

Im Zusammenhang mit der Restaurierung wurde auch die Geschichte des Stollens aufgearbeitet, die schon 1923 beginnt. Damals wurden unter der Leitung von Professor Philipp das Institut für Geologie und Mineralogie sowie das Bergbaukomitee gegründet.

Philipps Vision war es, ebenso wie die seiner Kollegen, die damals junge Kölner Uni nach neuesten Standards auszustatten. „Er hat bei der Ausrüstungsindustrie um Sachspenden 'gebettelt' und zusätzlich Geldzuschüsse aus Mitteln der für Köln geplanten Ausstellung 'Schau Westdeutscher Wirtschaft' eingeworben, um einen Stollen einrichten zu können, der für die modernste Bergbautechnik des frühen 20. Jahrhunderts stand“, weiß Piekarski. Bis das Vorhaben fertig war, dauerte es einige Jahre, so dass es letztlich erst 1932/33 zur Eröffnung im neuerbauten Universitätsgebäude kam. Die Anlage hatte eine ähnliche Funktion wie Videos und Online-Tools, die man heute in die Lehre einbindet: Sie sollten den Studenten die Inhalte ihres Fachs anschaulicher vermitteln.

Noch immer wird den Studenten im Zusammenhang mit der Hauptvorlesung der Besuch des historischen Ortes ermöglicht. Über die AntoniterCityTours sind auch für Nicht-Studenten gelegentliche Besuche möglich.

Bei Führungen sind Schutzhelme Pflicht

Bis heute übt das Kuriosum eine besondere Faszination auf seine Besucher aus, eröffnet es doch mit nur wenigen Schritten den Blick in eine völlig fremde Welt und Zeit. Wer vom Albertus-Magnus-Platz aus das Hauptgebäude betritt, braucht nur zwei Treppen hinabzusteigen, zwei Türen zu durchqueren und ist gleich in medias res.

Staubgraue Wände umfangen die Besucher mit Kellercharme. In einem Schrank warten Helme darauf, auf die Köpfe gesetzt zu werden. Wer wie Hans Josef Henerichs von den AntoniterCityTours Führungen anbietet, achtet darauf, dass alle Teilnehmer einer Führung auch wirklich einen Helm tragen. Zwar ist mit Einstürzen nicht zu rechnen, aber den Kopf könnte man sich doch hier oder da empfindlich stoßen.

Geschmiedete Manschetten, Nadelholz und Singvögel als Sicherheitsvorkehrung

„Erst der Kohleabbau ermöglichte in Deutschland den Wandel vom Agrar- zum Industriestaat“, erläutert Henerichs, als er wieder einmal eine Gruppe von Besuchern in die kleine, abgeschottete Unterwelt der Hochschule führt. Beim Gang zwischen den Stützpfeilern des Holzausbaus hindurch weist er auf die geschmiedeten Manschetten hin, mit denen diese im unteren Bereich umschlungen sind: eine besondere Konstruktion, die dazu beiträgt, die Last von der Senkrechten über die Waagerechte in die Streckenstöße zu verteilen.

Eine zusätzliche Sicherheitsvorkehrung war die Auswahl des Holzes: „Man verwendete Nadelholz“, erläutert Henerichs und erklärt auch gleich, warum: „Das knarzt, wenn die Belastung durch den Gebirgsdruck zu groß wird.“ Knarrender Holzausbau „sprach“ also mit dem Bergmann und war ein Zeichen für Einsturzgefahr bei einem möglichen Bruch. Auch zum Schutz vor giftigen Gasen fanden die Bergleute eine akustische Lösung: Sie hielten Singvögel in den Stollen. Diese reagieren empfindlich auf toxische Gasgemische, so dass ihr Verstummen einem Alarm gleichkam: Wenn sie aufhörten zu singen, wurde es für die Arbeiter höchste Zeit, den Ort schleunigst zu verlassen.

 

Text: Johanna Tüntsch